Ins Büro fahren, Face-to-Face-Meetings und ein kleiner Plausch an der Kaffeemaschine – vor einigen Wochen noch Normalität für viele Berufstätige. Um die Verbreitung von COVID-19 einzudämmen, sind in nahezu allen Branchen ganze Teams gezwungen im Homeoffice zu arbeiten: eine völlig neue Situation für viele Unternehmen. Um diese Herausforderung zu meistern gilt es jetzt Teamwork neu zu denken. Auch wenn in der Philosophie von Scrum und Co Remote Work eigentlich nicht vorgesehen ist, kann der Einsatz agiler Methoden in angepasster Form in der momentanen Situation helfen.
Als Softwareunternehmen arbeitet knowis seit vielen Jahren agil und setzt Methoden aus dem Projektmanagement wie Scrum und Kanban nicht nur im Entwicklungsprozess, sondern auch in anderen Unternehmensbereichen von Marketing bis Organisation ein. Gerade in dieser Zeit, in der viele Mitarbeiter remote arbeiten, hat sich der Einsatz solcher Arbeitsweisen für viele Teams bewährt. Die Best Practices von knowis sollen als Anregung dienen, wie man den neuen Arbeitsalltag im Homeoffice – allein und im Team – erleichtern kann.
Was sind agile Methoden?
Agile Vorgehensweisen kennt man insbesondere aus dem Projektmanagement. Sie begannen ihren Siegeszug Anfang der 2000er Jahre, da sie den Nachteilen der bis dahin gängigen Wasserfall-Modelle entgegenwirken. Bei diesen wird eine Phase nach der anderen starr abgearbeitet; der Gesamtplan wird bereits am Anfang des Projekts festgelegt. Agile Methoden zeichnen sich hingegen vor allem durch ihre hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit aus.
Die Idee hinter agilen Ansätzen ist es, ein Projekt schrittweise in festgelegten Zeitintervallen, sogenannten Sprints, mit einem selbstorganisierten, interdisziplinären Team umzusetzen. Eine Priorisierung der Aufgaben soll dabei helfen, die Aufträge mit hohem Business Value vorrangig umzusetzen. Darüber hinaus soll ermöglicht werden, in jeder Projektphase flexibel auf veränderte Anforderungen reagieren zu können. Insbesondere Scrum ist beliebt: Ursprünglich aus der Softwareentwicklung stammend, wird die Methode mittlerweile in vielen weiteren Bereichen eingesetzt, um die Produktivität zu steigern. Aber auch Kanban, User Story Mapping, Design Thinking und Event Storming sind agile Ansätze, mit denen Unternehmen nicht nur innerhalb von Projekten ihre Arbeitsorganisation optimieren können.
Vom Projekt bis ins Homeoffice: Mit agilen Methoden produktiver arbeiten
Die Anwendung agiler Ansätze muss sich keineswegs auf Projekte beschränken. Im Gegenteil: Auch täglich wiederkehrende Aufgaben, Linientätigkeiten also, um im Projektmanagement-Jargon zu bleiben, können vom Einsatz agiler Methoden profitieren. Um trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie einen organisierten Arbeitsmodus beizubehalten und der vorübergehend notwendigen räumlichen Isolation entgegenzuwirken, bieten sich agile Praktiken für nahezu alle Teams im Unternehmen an.
Innerhalb der Teams führt diese kleinschrittige, selbstorganisierte Arbeitsweise zu flachen Hierarchien und transparenten Zielen, fördert die Kommunikation und steigert nicht zuletzt die Produktivität. Damit sind agile Methoden für das „new normal“ – also Remote Work im Homeoffice – besonders gut geeignet. Sie können verhindern, dass einzelne Mitarbeiter vom Informationsfluss ausgeschlossen und so vom Rest des Teams abgehängt werden.
Agiles Arbeiten: Best Practices bei knowis
Bei knowis werden agile Methoden von unterschiedlichen Teams angewendet: Sowohl bei der eigentlichen Entwicklung der Software als auch in den Projektteams, die in Zusammenarbeit mit den Kunden fachliche Lösungen auf Basis der isfinancial-Plattform umsetzen, kommen verschiedenste Methoden von Event Storming bis Scrum zum Einsatz. Auch in Unternehmensbereichen wie Marketing oder Organization, in denen agile Methoden traditionell eher selten zu finden sind, ist bei der Regensburger Softwareschmiede die Anwendung bestimmter agiler Praktiken längst an der Tagesordnung.
Um zu zeigen, wie sich agile Vorgehensweisen schnell in den Arbeitsalltag integrieren lassen und Remote Work vereinfachen, folgen hier konkrete Beispiele und Rituale, die auch Unternehmen anderer Branchen helfen können.
Daily einführen
Tägliche Teambesprechungen lassen sich auch im Homeoffice per Videocall mit Tools wie Microsoft Teams, Skype, Zoom oder WebEx ganz einfach umsetzen. Um nicht Gefahr zu laufen, sich in diesem Termin in Details zu verlieren, sollte jeder Teilnehmer darauf achten, nur die folgenden Fragen zu beantworten: „Was habe ich gestern gemacht?“, „Was mache ich heute?“, „Hindert mich etwas an meiner Arbeit? / Brauche ich an irgendeiner Stelle Unterstützung?“. Es sollte in jedem Fall ein begrenzter Zeitrahmen für das Daily eingeplant und auch eingehalten werden, um zeitfressende Ausschweifungen zu vermeiden. Gibt es darüber hinaus Besprechungsbedarf, sollte dieser in ein separates Meeting verlegt werden.
Story Maps erstellen
Eine Story Map dient im Softwareprojekt dazu, sich aus Sicht eines bestimmten Users einzelne Prozessschritte und Anforderungen an die Software im größeren Kontext zu erschließen und das damit erhobene Backlog, also die Aufgabensammlung, in Form einer Landkarte darzustellen. Sie bildet die Basis für das gemeinschaftliche Verständnis der zu entwickelnden Lösung im Team. Auch für Teams außerhalb der Softwareentwicklung kann eine vollständige Landkarte, die alle zu erledigenden Aufgaben eines Prozesses in einer sinnvollen Reihenfolge erfasst und in Tasks und Subtasks herunterbricht, hilfreich sein, um einen Überblick über sämtliche To-dos zu bekommen. Sie können ihr Aufgaben-Backlog durch die Unterteilung von Tasks in einzelne Arbeitsschritte übersichtlicher gestalten und erleichtern sich damit die Workload-Planung.
Wenn verteilt arbeitende Teams eine Story Map erstellen wollen, bieten sich dafür Online-Tools wie das Realtime Board oder Jira an. Wer unabhängig von anderen sein eigenes Backlog abarbeitet, kann im Homeoffice auch auf die klassischen Haftnotizzettel für die einzelnen Subtasks zurückgreifen und freie Wandflächen zum provisorischen Whiteboard erklären.
Sprint-Board anlegen
Ob mit Post-Its auf dem guten alten Whiteboard oder einer digitalen Variante wie Jira oder dem Microsoft Planner: Das Visualisieren des Arbeitsfortschritts nach dem Kanban-Prinzip hilft dabei, den aktuellen Stand aller Tasks und Subtasks im Blick zu behalten. Ein Sprintboard bildet den gesamten Workflow mit all seinen Schritten ab und erleichtert sowohl Einzelkämpfern als auch Teams die Organisation ihrer Arbeit.
Das kann folgendermaßen aussehen: Das Team sammelt alle Aufgaben, die zum Beispiel mit Hilfe einer Storymap identifiziert wurden, im Backlog. Die Tasks, die im nächsten Sprint erledigt werden sollen, werden in die Spalte „Ready“ verschoben. Ein Mitarbeiter nimmt sich hieraus eine Aufgabe, sie wandert in den 'Work-in-Progress'-Bereich, in dem sie solange bleibt, bis sie vollständig abgeschlossen ist und in die Spalte „Done“ verschoben wird. So bleibt der Bearbeitungsstand transparent und man hat stets vor Augen, welche Arbeitsschritte schon abgeschlossen sind, woran gearbeitet wird und was noch zu tun ist.
Go with the flow
Kanban sieht vor, dass die Aufgaben möglichst gleichmäßig über das Board fließen. Das kann erreicht werden, indem zum Beispiel die Menge der Tasks pro Spalte limitiert wird. Das Board hilft dabei, mögliche Blockaden zu identifizieren: Man sieht auf einen Blick, an welcher Stelle sich Aufgaben ansammeln und kann diese aktiv angehen. Zusätzlich läuft man auch nicht so schnell Gefahr, zu viele Baustellen auf einmal aufzumachen, sondern konzentriert sich darauf, einen Task nach dem anderen anzugehen. Diese Arbeitsweise funktioniert nicht nur in der Softwareentwicklung, auch andere Teams, beispielsweise Support oder Marketing, profitieren von der Übersichtlichkeit und können ihre Prozesse effektiver gestalten.
Sprints planen
In der Sprintplanung werden die Inhalte festgelegt, die im Lauf des kommenden Sprints abgearbeitet werden sollen, beispielsweise mit Hilfe der Planning-Poker-Methode. Vorher muss natürlich feststehen, wie lange ein Sprint jeweils dauert. Je nach Unternehmensbereich kann ein anderer Zeitraum sinnvoll sein. Mindestens zwei Wochen sind empfehlenswert, um nicht zu viel Zeit für Meetings und wiederkehrende administrative Dinge zu verlieren und einen Erkenntnisgewinn zu erreichen, über den es sich zu sprechen lohnt. Zu lange sollte der Zeitraum aber auch nicht gewählt werden, da sonst die Planung sehr langwierig und unsicher wird.
Eine Aufteilung in Tasks und Subtasks hilft dem Team dabei, die To-Dos in kleine, übersichtliche Arbeitspakete zu zerlegen und auf die Teammitglieder zu verteilen. Hilfreiche administrative Tools für die Sprintplanung sind zum Beispiel Miro, Jira oder Trello. Um stets den Überblick über den aktuellen Sprint zu behalten ist es aber unerlässlich, dass alle Teammitglieder den Status ihrer Subtasks im Sprintboard auf dem aktuellen Stand halten.
Retrospektiven durchführen
Ein regelmäßiger Rückblick auf den Sprint nach Ablauf des festgelegten Zeitraums ist ebenso wichtig wie die eigentliche Planung, denn nur so kann sich die Zusammenarbeit im Team langfristig verbessern. Was ist gut gelaufen? An welcher Stelle gibt es Verbesserungsbedarf? Für die Retrospektive sollten je nach Teamgröße zwischen einer bis drei Stunden Zeit eingeplant werden. Wenn möglich sollte das ganze Team daran teilnehmen; im Idealfall übernimmt eine Person außerhalb des Teams die Moderation.
Kommunikation, die regelmäßige Reflexion der gelebten Arbeitsweisen und die Weitergabe von Best Practices an die Kollegen sind im Homeoffice wichtiger denn je – jeder aus dem Team sollte sich abgeholt fühlen. Gerade für Teams, die bisher nur wenig oder gar keine Erfahrung mit agilen Methoden gemacht haben ist es wichtig, die Praxis gemeinsam zu reflektieren. Schließlich sollen die neuen Arbeitsweisen für eine leichtere Arbeitsorganisation sorgen – ist das nicht der Fall muss nachjustiert werden.
Fazit
Scrum und Co können auch und gerade in dieser herausfordernden Zeit nützliche Werkzeuge für eine effiziente Arbeitsweise sein und gleichzeitig dabei helfen, den Teamspirit über räumliche Distanz hinweg hochzuhalten. Einzelne neue Praktiken in gewohnte Abläufe zu integrieren, wie oben geschildert, kann ein erster Schritt sein, sich von eingefahrenen Mustern zu lösen. So kann aus der Notwendigkeit remote zu arbeiten eine Chance entstehen, neue Wege zu gehen.
Bei der Adaption agiler Methoden handelt es sich um einen fortlaufenden Prozess, der vom kompletten Team gelebt werden muss; auch das Vorangehen der Führungskräfte spielt hier eine entscheidende Rolle. Wichtig ist das Bewusstsein, dass ein kultureller Wandel im Unternehmen nicht von heute auf morgen passieren kann. Wenn alle Beteiligten sich das vor Augen halten und an einem Strang ziehen, gelingt es, das Beste aus der Situation zu machen.
Bildquellen:
Teaser: RgStudio – 1128253496 – iStock
Infografiken/Screenshots: knowis AG.