Durch die zunehmende Digitalisierung von Maschinen und Anlagen sind heute Daten statt einst Dampf der Antrieb für Innovationen im Industriesektor. Banken können von dieser Evolution und der daraus entstehenden Vernetzung von Geschäftsprozessen profitieren – beispielsweise, wenn sie Nutzungsdaten in Echtzeit analysieren und ihren Kunden auf dieser Basis Finanzierungen nach Maß anbieten.
Immer effizienter produzieren: Unter diesem Gesichtspunkt baut die Industrie im digitalen Zeitalter neue Maschinen und Produktionsanlagen. Die Finanzierung dieser technischen Einrichtungen durchläuft hinsichtlich der Digitalisierung ebenfalls einen signifikanten Wandel, denn durch die Verbindung der Maschinen mit dem Internet lassen sich aufschlussreiche Produktionszahlen ermitteln und mit Dritten, wie Finanzdienstleistern, teilen. Banken können auf Basis dieser Daten neue Finanzierungsangebote für Industriekunden schaffen und so neue, dynamische Pay-Per-Use-Produkte in ihr Portfolio aufnehmen. Der Einsatz von Technologien, die den wertvollen Rohstoff Daten schnell und intelligent aufbereiten, macht das möglich.
Von Industrie 4.0 und dem Internet of Things
Die vierte industrielle Revolution, kurz Industrie 4.0, beschreibt die umfassende Digitalisierung des Industriesektors. Nach Dampf und Elektrizität sind es nun vor allem Algorithmen und Daten, die als Antrieb hinter Innovationen wie der Automatisierung von Produktionsprozessen oder smarten Maschinen stecken.
Eine elementare Komponente der Industrie 4.0 ist das Internet of Things (IoT, auf Deutsch: Internet der Dinge). Dieser Begriff bezeichnet die Vernetzung von Gegenständen über das Internet. Darüber können die Objekte direkt kommunizieren und interagieren – mit ihrer Umgebung oder untereinander. Das Spannende: Es handelt sich dabei nicht mehr nur um die typischen smarten Geräte wie Computer oder Smartphone – heute liefern auch Autos, Kühlschränke oder Turbinen von Windkraftanlagen fleißig Daten.
Im industriellen Kontext wird IoT (hier oft auch als Industrial Internet of Things – IIoT – bezeichnet) genutzt, indem Maschinen und Betriebsanlagen mit Sensoren ausgestattet und untereinander vernetzt werden. Durch diesen Austausch entstehen mit Hilfe von Informationstechnologien sogenannte cyber-physische Systeme: datenbasierte Netzwerke, aus denen sich wertvolle Informationen extrahieren lassen. Auf diese Weise lassen sich Zahlen erfassen und Ereignisse automatisiert steuern, um Abläufe in Produktion und Fertigung zu optimieren.
IoT verändert die Anforderungen an Finanzinstitute
IoT hat Privatleben und Industrie bereits erobert: Alles ist vernetzt. Aber auch Finanzinstitute können Banking of Things betreiben und damit neue Geschäftsmodelle im Firmenkundensektor entwickeln. Mit der Digitalisierung der Industrie haben auch die Bankkunden im Firmensegment ihre Ansprüche verändert. Von Finanzdienstleistern werden heute schnellere Kreditentscheidungen und individuell zugeschnittene Finanzierungsangebote für Gewerbe und Industrie erwartet. Bisher sind jedoch kaum innovative Finanzierungsmodelle im Einsatz, obwohl der Bedarf stetig steigt. Banken müssen diese Bedürfnisse ernst nehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, denn IoT-spezialisierte Fintechs sind ihnen bei der technologischen Adaptierung voraus.
Dass eine maßgeschneiderte, flexible Unternehmensfinanzierung ein Kundenwunsch ist, dem noch nicht im notwendigen Umfang nachgekommen wird und der zunehmend an Bedeutung gewinnt, fasst die Studie Finanzierungsmodelle im Kontext der Thematik Industrie 4.0 von ibi research aus dem Jahr 2019 zusammen: „Auf den Finanzmärkten [besteht] eine deutliche Diskrepanz zwischen Finanzierungsnotwendigkeiten für moderne, effiziente und nachhaltige Maschinen und Produktionsanlagen auf Basis neuer Technologien einerseits und Finanzanlage-Wünschen von Mittel- und Langfrist-Investoren andererseits. Dieses "Mismatch" ist einzelwirtschaftlich und volkswirtschaftlich kostenträchtig und kann die weitere Entwicklung in Richtung Industrie 4.0 hemmen bzw. Unternehmen im Wettbewerb stark benachteiligen.“
Der Report, der einen Überblick über den aktuellen Stand und zukünftige Finanzierungsmodelle im Kontext von Industrie 4.0 geben möchte, befragte 90 Experten aus verschiedenen Branchen zu den größten Herausforderungen für Finanzdienstleister in Bezug auf das Firmenkundengeschäft und Industrie 4.0. Hierbei wurde deutlich, dass noch Lösungen für die Entwicklung und Integration neuer Geschäftsmodelle hinsichtlich Industrie 4.0 sowie die Entwicklung einer passenden Plattformstrategie fehlen: 41 Prozent identifizierten Geschäftsmodelle, 34 Prozent Plattformstrategie und 32 Prozent Produktentwicklung als noch zu lösende Aufgabe.
Chancen der IoT-Vernetzung für Banken
In der Unternehmensfinanzierung werden heute Kreditraten und Restwerte für Maschinen und Anlagen über eine Finanzierungsperiode linear und statisch festgelegt. Jedes Industrieunternehmen unterliegt aber saisonalen und konjunkturellen Schwankungen. Es werden Finanzierungslösungen benötigt, die diese Aspekte berücksichtigen.
In die durch IoT vernetzten Wertschöpfungsketten, zum Beispiel in der Fertigungs- oder Energieindustrie, können auch Finanzinstitute eingebunden werden. Hersteller machen ihre Daten zum Produktionsablauf, wie beispielsweise die Betriebsdauer der Maschine oder die Anzahl der produzierten Güter, zugänglich. Jetzt gilt es für Banken, diese Informationen als Grundlage für neue Geschäftsmodelle und personalisierte Services zu nutzen.
Ein kundenorientierter Kostenvorschlag kann beispielsweise so entstehen: Die zu finanzierenden Maschinen sind entweder indirekt (über die Hersteller) oder direkt mit dem Bankensystem verbunden und übermitteln ihre Nutzungsdaten. Aufgrund dieser Datenbasis kann die Bank ein flexibles, nutzungssynchrones Zahlungsmodell anbieten. Durch solche Pay-per-Use-Modelle lassen sich saisonale und zyklische Schwankungen ausgleichen, was die Liquidität des Unternehmens schont. Auch Kreditverträge können so datenbasiert gestaltet und die Tilgungshöhe nach tatsächlicher Auslastung errechnet werden.
Mit einer individualisierten Unternehmensfinanzierung erhalten Finanzinstitute nicht nur ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal, das die Bedürfnisse des Unternehmens berücksichtigt. Auch dem Know-Your-Customer-Prinzip wird durch die ständig aktualisierten Datenanalysen des Betriebs Rechnung getragen. Dennoch stellt sich die Frage nach der strategischen und technologischen Umsetzung, mit der die digitale Vernetzung zwischen Bank und Firmenkunde stattfinden soll. Wie der Einsatz einer Banking-Plattform die nutzungsbasierte Finanzierung im industriellen Umfeld ermöglichen kann, soll ein Beispiel veranschaulichen.
Individuelle Finanzierungsmodelle mit einer digitalen Banking- Plattform umsetzen
Ein Unternehmen aus der Fertigungsindustrie kauft sich eine Maschine. Für die Berechnung einer dynamischen Finanzierung soll übermittelt werden, wie oft die Maschine pro Tag genutzt wird. Um das zu simulieren, löst in unserem Beispiel ein Roboter einen Rubik’s Cube und überträgt die Nutzungsdaten in Echtzeit an eine Demobank.
Mithilfe einer Banking-Plattform können die Daten der Maschine auf Seiten der Bank empfangen und weiterverarbeitet werden. Die Software zeigt die empfangenen Nutzungsdaten des aktuellen Monats an und visualisiert automatisch den durchschnittlichen und minimalen Rückzahlungsbetrag. Ausgehend von der Laufzeit kann die Tilgungsentwicklung pro Monat eingesehen werden.
Durch die ihr zugrunde liegende Fachlichkeit bereitet die Plattform die Daten unmittelbar auf. Sie enthält die dazu notwendige Businesslogik, wodurch sie auf Grundlage der täglichen Auslastung die aktuelle Zahlung ermittelt und den Restwert der Maschine in Echtzeit berechnen kann. Da die Daten immer aktuell gehalten werden, kann dynamisch eine angepasste Finanzierungsrate ausgegeben werden. So werden auch die im Bereich der Industrie üblichen saisonalen Schwankungen und Rüstzeiten berücksichtigt. Für Banken bedeutet die regelmäßige Auswertung der Daten eine bessere Risikoüberwachung und die automatische Datenanalyse und -aufbereitung eine präzisere Risikobewertung, zum Beispiel bei Kreditvergaben. Der Industriekunde vermeidet einen Liquiditätsengpass in Schwachlastzeiten.
Fazit
Ob Tilgungsraten für Rückzahlungspläne berechnet werden oder eine Echtzeitbewertung des Restwerts stattfindet – automatisierte, intelligent vernetzte Lösungen können nicht nur für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im Umfeld von Industrie 4.0 dienen. Auch beim Leasing oder der Finanzierung von Fahrzeugen kann die Wertschöpfungskette für Banken weitergehen, da Informationen unterschiedlichster Art, sei es die Anzahl der produzierten Güter, Betriebsstunden der Maschine oder gefahrene Kilometer, berücksichtigt werden können. Das macht eine Banking-Plattform in Zeiten von IoT und Big Data zu einem universell einsetzbaren Tool.
Eine wie im Beispiel gezeigte Plattformlösung macht Daten beherrschbar und individualisierte Finanzierungslösungen überhaupt erst möglich. Der Kundenmehrwert, der durch das Anbieten eines solchen dynamischen Zahlungsmodells generiert wird, verschafft der Bank letztlich einen klaren Wettbewerbsvorteil und optimierte Margen.
Quellen:
Video: Flexible Finanzierung von Maschinen in Gewerbe und Industrie. (Thomas Bohn / YouTube).
Teaser: Zapp2Photo – 675942252 – iStock.