Mit dem Ziel einer konsequenten Risikomanagement-Praxis und der Harmonisierung der Definition „Leveraged Transactions“ hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Mai vergangenen Jahres eine entsprechende Leitlinie veröffentlicht, die „Guidance on Leveraged Transactions”. Diese gilt seit dem 16. November 2017 verbindlich für alle Kreditinstitute, die von der EZB beaufsichtigt werden. Bei Leveraged Transactions handelt es sich um sogenannte Transaktionen mit Hebelwirkung – vornehmlich Kreditvergaben mit relativ hohem Ausfallrisiko. Um negative Auswirkungen auf das Finanzsystem zu vermeiden, wurden umfassende Governance-Vorschriften für diese Kredite festgelegt, die ein vielschichtiges Handeln der betroffenen Banken erfordern. Wie können Banken sicherstellen, dass solche Vorschriften auch eingehalten werden?
Leveraged Transactions haben als Finanzierungsinstrument in der Vergangenheit stark an Beliebtheit gewonnen. Verdeutlichen lässt sich dies gut am Beispiel von sogenannten Leveraged Loans, bei denen es sich nach einer allgemeinen Definition des private banking magazins um spezielle syndizierte Kredite an Sub-Investment-Grade-Emittenten (Unternehmensrating ≤ BB+) handelt. Daraus lässt sich auch schon der Grundgedanke ableiten, warum die EZB die Erstellung einer Leitlinie für notwendig erachtete: mehr Regulierung für ein besonders risikoreiches Geschäftsfeld.
Aktueller Hintergrund dazu ist der erneute Wiederanstieg von Leveraged Transactions, wie es auch schon vor der Finanzkrise im Jahr 2008 zu beobachten war. Der Markt für Leveraged Loans zum Beispiel boomt sowohl in Deutschland als auch in Europa. Laut Bloomberg wuchs diese Art der Kreditvergabe im Jahr 2017 um 52 Prozent gegenüber dem Vorjahr und erreicht ein Rekordhoch nach der einstigen Krise. Somit greift die EZB-Richtlinie zu Leveraged Transactions den aktuellen Trend zu Finanzierungen mit einer höheren Verschuldungsquote auf und versucht durch höhere und einheitliche Regulierungsstandards, betreffend Überwachung und Steuerung, eine erneute Fehlentwicklung zu vermeiden.
Umfassende Governance-Anforderungen der EZB für Leveraged Transactions
Jedes relevante Institut ist aufgrund der Leitlinie angehalten, eine institutspezifisch geltende Definition für Leveraged Transactions festzulegen, die einer wiederkehrenden Selbstkontrolle unterliegt. Bei dieser Definition sollte das Kreditinstitut folgende grundlegenden Überlegungen der EZB berücksichtigen: Eine Leveraged Transaction liegt vor, wenn die Gesamtverschuldung des Kreditnehmers nach der Finanzierung das Vierfache seines EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) übersteigt oder wenn auf Seiten des Darlehensnehmers mehrheitlich Finanzinvestoren beteiligt sind. Ausnahmetatbestände dazu werden ebenfalls konkret festgelegt. So liegt ein solcher Kredit z.B. nicht vor, wenn dieser an eine natürliche Person oder ein anderes Finanzinstitut vergeben wird.
Strategische Festlegungen, wie unter anderem der Risikoappetit des Kreditinstituts sind bezüglich dieser Art von Krediten zu definieren. Für syndizierte Leveraged Transactions, wie die oben erwähnten Leveraged Loans, gelten noch spezifischere Vorschriften, wie beispielsweise eine Begrenzung der Verschuldung.
Darüber hinaus fordert der Leitfaden 18 Monate nach seiner Veröffentlichung einen Bericht an das Joint Supervisory Team (JST) durch die interne Revision. So soll die angemessene Umsetzung der institutseigenen Prozesse in Anlehnung an den Leitfaden überprüft und gewährleistet werden.
Der Leitfaden definiert auch bestimmte Anforderungen an ein regelmäßiges und umfassendes Berichtswesen, das sämtliche Trends und Charakteristiken bezogen auf die Leveraged Transactions einer Bank erfasst. Ein Reporting und Management Informationssystem (MIS) soll Informationen über die Finanzierungen im Bestand sowie die geplanten, noch zu syndizierenden Finanzierungen enthalten. Insbesondere sind darzustellen: aktuelle Marktentwicklungen und strukturelle Informationen.
Weitere Rahmenbedingungen und Prozesse
PWC beschreibt in einem Beitrag zur Erscheinung des Leitfadens unter anderem folgende Rahmenbedingungen und Prozesse für das Neugeschäft, die Überwachung sowie Steuerung der langfristig gehaltenen Leveraged Transactions:
- Bei der Kreditgewährung sollte für Leveraged Transactions ein geeigneter und spezifischer Kreditgenehmigungsprozess implementiert sein.
- Sowohl im Rahmen der Kreditgewährung, als auch bei der Wiedervorlage, bei Verlängerungen, Modifikationen oder Refinanzierungen von bestehenden Transaktionen sind eingehende Überprüfungen und Auswertungen im Sinne einer Due Dilligence (Risikoprüfung) durch den initiierenden Bereich durchzuführen.
- Risikofrühwarnindikatoren und Auslöser für Impairment-Tests (Werthaltigkeitstests) sollten implementiert werden.
- Ein Stresstest-Framework für das Portfolio im Bestand sollte implementiert werden. Die Auswirkungen der Stressszenarien sind – insbesondere bezogen auf die Kapitaldienstfähigkeit – zu analysieren.
- Die interne Revision soll die Umsetzung und Einhaltung dieser Guideline in ihre regelmäßigen Prüfungen, mindestens alle drei Jahre, einbeziehen.
Wie hilft ein digitales Kreditmanagement, diesen Anforderungen gerecht zu werden?
Die Anforderungen bezüglich der Leveraged Transactions sind nicht nur auf einen Bereich beschränkt, die Banken sind gleich an mehreren Fronten gefordert: im Neugeschäft und Bestandsgeschäft, aber auch bei der Steuerung und der Dokumentation. Ein digitales Kreditmanagement ermöglicht eine bereichsübergreifende Unterstützung und Nachvollziehbarkeit der Prozesse.
Unterstützung spezifischer Prozesse für Leveraged Transactions
Zentraler Punkt des Leitfadens ist die Schaffung spezieller Prozesse für Leveraged Transactions, die dem hohen Risiko bei dieser Art der Kreditvergabe Rechnung tragen.
Grundprozessabläufe jeder Art können digital flexibel an Besonderheiten der Leveraged Transactions angepasst werden – von Unterschieden in der Antragsstellung über eine differenzierte Bearbeitung bis hin zu spezifischen Genehmigungsprozessen. Feste Abläufe mit fixen Vorgaben (zur Unterstützung in der Bearbeitung), sind mit Freiräumen für Experten kombinierbar. Institutsspezifische Prozesse sind damit eindeutig und nachvollziehbar festgelegt.
Änderungen am Prozessablauf sind schnell und sicher möglich. Aufgrund der digitalen Ausgestaltung der Prozesse sind diese damit sofort für jeden Anwender – ob Markt oder Marktfolge – ersichtlich und durchführbar.
Mit einem digitalen Kreditmanagement können die Finanzdienstleister unterschiedlichste Prozesse abdecken. Die Integration der Bestandssysteme in Kombination mit einem Tool zur Wiedervorlage und zum Aufgabenmanagement ermöglicht, neben der Abbildung neuer Geschäftsanbahnungen, auch das vollständige Management des Bestandsgeschäfts.
Risikofrüherkennung und zielgerichtete Datenanalyse
Innerhalb der Prozesse kommt den Themen Überwachung bzw. Frühwarnung besondere Beachtung zu, um mögliche Risiken rasch identifizieren und auch steuern zu können.
Durch die Digitalisierung der vormals häufig MS-Office-basierten Prozesse, stehen alle Prozessdaten zur Implementierung von Frühwarnindikatoren zur Verfügung. Bei bestimmten Triggern aus dem System oder durch externe Anlässe werden automatisch Aktivitäten ausgelöst, über die der zuständige Mitarbeiter in einem Prozessportal benachrichtigt wird. Die Übersicht und Kontrolle potenzieller Risiken wird dadurch wesentlich verbessert.
Neben den risikofokussierten Auswertungen stehen diese Daten auch für Performance-Analysen zur Verfügung – den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen zur Steuerung bzw. Unterstützung von Geschäftsprozessen wird damit Rechnung getragen.
Revisionssicherheit und Erfüllung hoher Datenschutzstandards
Bei der geforderten regelmäßigen Prüfung durch die interne Revision stehen vor allem Nachvollziehbarkeit und Transparenz im Fokus. Funktionen wie das automatisierte Daten-Logging bieten wertvolle Unterstützung: alle Daten während der Kreditanbahnung werden lückenlos protokolliert und stehen den Prüfern auf Knopfdruck zur Verfügung.
Darüber hinaus unterstützt das digitale Kreditmanagement in sensiblen Bereichen, wie dem Datenschutz. Durch ein eindeutiges Rollen- und Berechtigungsmanagement bis auf Feldebene zur Wahrung des Need-to-know-Prinzips, also dem Verbergen nicht benötigter Informationen, können aktuelle Standards umgesetzt und nachweislich eingehalten werden.
Ausblick und Fazit
Der Umfang der durch die EZB auferlegten Governance-Vorschriften für Leveraged Transactions ist hoch und bringt wesentliche Veränderungen im Risikomanagement – vor allem bezüglich der Prüfungs-, Überwachungs-, aber auch Berichtspflichten – der betroffenen Finanzinstitute mit sich. Auch wenn die Umsetzung der Leitlinien zunächst nur im Rahmen eines bankaufsichtlichen Dialogs verfolgt wird, ist für die Zukunft davon auszugehen, dass die Einhaltung der Leitlinie auch Gegenstand von Prüfungen der Aufsicht sein wird.
Die Finanzbranche muss generell damit rechnen, dass auf Risikoszenarien mit weitreichenden aufsichtlichen oder staatlichen Eingriffen reagiert wird, was wiederum zu umfassenden Governance-Vorschriften führt. Durch ein digitales Kreditmanagement gelingt es Kreditinstituten, die oftmals bereichsübergreifenden Anforderungen dieser Vorschriften schnell und transparent umzusetzen. Von der Dokumentation spezifischer Prozesse bis hin zur Berücksichtigung straffer Datenschutzanforderungen: die Finanzdienstleister müssen sich für das verantwortungsvolle Management ihrer Risiken und der dazugehörigen Daten wappnen.
Bildquelle: Teaser: William Potter- 868950364 - iStock