Viele Digitalisierungsprojekte im Finanzwesen scheitern, weil die Komplexität unterschätzt oder das technologische Setup falsch gewählt wird. Thomas Bohn von IBM und Stefan Engl von knowis teilen in einem Expertengespräch Erfahrungen und konkrete Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche digitale Transformation im Banking – aus fachlicher und technologischer Perspektive.
„Wer sich früh genüg mit einer Entwicklung beschäftigt, hat auch bessere Chancen, nicht von ihr überrollt zu werden.“ So leitet der Moderator Janis Moutafis das Webinar 'Durchgehende Digitalisierung des gewerblichen Kreditwesens' ein. Die beiden Speaker Stefan Engl, CFO von knowis und Thomas Bohn, Principal Digital Business Automation und Open Banking bei IBM Deutschland unterstreichen diese Aussage im Laufe des Videomitschnittes an mehreren Stellen. Dabei greifen die beiden auf einen reichen Erfahrungsschatz aus vielen erfolgreich abgeschlossenen Projekten und eine langjährige Marktkenntnis zurück. Am konkreten Beispiel der Transformation des gewerblichen Kreditgeschäftes erläutern die Referenten, welche Chancen sich für Finanzinstitute durch die digitale Transformation ergeben, welche Rolle Plattformen dabei spielen und warum eine klare Kundenfokussierung die wichtigste Grundlage eines jeden Modernisierungsprojektes darstellt.
Der Weg zum End-to-End-Prozess im Kreditgeschäft
In den meisten Fällen seien die benötigten Daten für die Digitalisierung der Prozesse bei den Instituten bereits vorhanden, beschreibt Engl die Ausgangslage vieler Transformationsprojekte. Ein essenzielles Problem, so Engl, ergibt sich aber aus der Tatsache, dass diese Daten in heterogenen Systemlandschaften erhoben werden und daher auch nur innerhalb bestimmter Kanäle zur Verfügung stehen. Der kanalübergreifende End-to-End-Prozess mit einer Integration des Kunden in die Abwicklung sei daher für viele Banken mit der historisch gewachsenen Systemlandschaft allein kaum möglich. Dennoch wünschten sich die Banken Innovation, um das Kundenerlebnis zu verbessern, die Bearbeitungskosten zu senken, die Geschwindigkeit zu steigern und der Revision Rechnung zu tragen.
Stefan Engl erörtert, dass eine erfolgreiche Modernisierung immer eine klare Abgrenzung der Fachdomänen voraussetzt; nur so sei es möglich, gezielt Verbesserungen zu erreichen und schrittweise schnelle Erfolge zu erzielen. Speziell im Firmenkunden-Kreditgeschäft sei die Komplexität der Prozesse und zugrundeliegenden Daten um ein Vielfaches höher als bei Konsumentenkrediten. Das sei auch einer der Gründe, warum branchenweit ein Großteil der Digitalisierungsprojekte im Bereich Corporate Credit nicht zum gewünschten Erfolg führen. Häufig würde bereits bei der Planung fälschlicherweise ausschließlich von „Sonnenschein-Prozessen“ ausgegangen, wie Engl sie nennt: von einfachen, klaren Abläufen und Entscheidungen, die sich in der Realität jedoch viel komplexer und variantenreicher darstellen, als ursprünglich angenommen.
Wie man dieser fachlichen Komplexität bei der digitalen Transformation im gewerblichen Kreditwesen gerecht wird, die Kosten innerhalb der Prozesse reduzieren kann und ein Digitalisierungsprojekt aus fachlicher Sicht am besten angeht, erklärt Stefan Engl ausführlich im ersten Teil des Banking-Webinars.
Customer First – kundenfokussierte Finanzprodukte durch Plattform-technologie
Im Anschluss macht Thomas Bohn klar, dass letztlich für jedes Finanzinstitut das wichtigste Ziel sein muss, das Kundenerlebnis zu verbessern und die Erwartungen der Kunden an eine moderne Bank zu erfüllen. So könne die Bank die Relevanz gegenüber dem Kunden erhöhen und einen Wettbewerbsvorteil erreichen. Multi-Channel-Banking sei in dieser Hinsicht eines der wesentlichen Instrumente, denn damit könne die nötige Offenheit und Transparenz geschaffen werden und der Kunde aktiv in alle Kreditentscheidungsprozesse eingebunden werden.
Bohn erklärt, dass Banken auch die Ökosysteme der Kunden in die Bankprozesse eingliedern müssten, um moderne Finanzprodukte und neu zusammengesetzte Wertschöpfungsketten zu erschließen. Integrierte Supply Chains, die Anbindung des Kunden-ERP-Systems, um automatisiert Prozesse auszulösen, oder die Dynamisierung von Finanzierungen auf Basis von Produktionsdaten sind nur ein paar der genannten Beispiele. Die Nutzung fachlicher Dienste über alle Kanäle hinweg, interne wie auch externe, sorge dabei für Effizienz durch Wiederverwendung. Bohn ist davon überzeugt, dass ein Großteil des langfristigen Erfolges auch darauf beruht, wie gut es gelingt, neue Technologien nachhaltig in die Bearbeitungsprozesse der Bank zu integrieren.
Welche die konkreten Handlungsfelder für ein Digitalisierungsprojekt in der Finanzbranche sind und wie man mit Hilfe von Plattform-Technologie die fachliche Logik abbilden kann, so das Kundenerlebnis verbessert und dadurch einen Wettbewerbsvorteil generiert, erläutert Thomas Bohn im zweiten Teil des Webcasts.
Quellen:
Teaser: damircudic – 1126800712 – iStock.
Foto: knowis AG.