Strukturierte Finanzierung von Großprojekten digitalisieren: Ein Praxisbeispiel

Energiewende Windkraft Banken

Der verstärkte Ausbau erneuerbarer Energien ist ein entscheidender Zukunftstrend im Energiewesen. Im Rahmen der Energiewende sind umfangreiche Infrastruktur-Projekte erforderlich, deren spezielle Charakteristika zu hochkomplexen und aufwändigen Finanzierungskonstrukten führen. Um diese Ertragsquelle jedoch gewinnbringend nutzen zu können, müssen Banken eine Möglichkeit finden, diese Komplexität digital abzubilden und so beherrschbar zu machen.

Bis 2050 soll der Ausbau von erneuerbaren Energien in Deutschland im Rahmen der Energiewende kontinuierlich voranschreiten. Einen gewaltigen Anteil von 80 Prozent an der Stromerzeugung sollen die umweltverträglicheren Energie-Alternativen bis dahin ausmachen (Quelle: Bundesregierung). Aktuell ist man noch weit von diesem Ziel entfernt, der Anteil der regenerativen Energien an der Bruttostromerzeugung im Jahr 2017 lag gerade einmal bei rund 33 Prozent.

Brutto-Stromerzeugung erneuerbare Energien 2017

Langwierige Genehmigungsprozesse, wenig geeignete Standorte und häufige Umstellungen bei der staatlichen Förderung, um den Wettbewerb anzukurbeln – das sind nur einige der Herausforderungen bei der Umsetzung von Energieprojekten. Diese Einflussfaktoren wirken sich auf die Art und Weise der Projektierung aus. Rentabilität und Planungssicherheit sind für kleinere Vorhaben – aufgrund des herausfordernden Umfeldes – immer schwieriger zu erreichen.

Der Trend in der Branche geht daher zu Mammut-Projekten, die viel Ertrag und wenig Gegenwehr durch skeptische Nachbarn verheißen: Das sind vor allem riesige Windkraft-Projekte auf dem Meer, sogenannte Offshore-Anlagen. Derzeit entstehen beispielsweise zwei neue Offshore-Windparks mit beeindruckenden Dimensionen in der Nordsee. Es handelt sich dabei um das bisher größte Offshore-Projekt in Deutschland: 87 Windturbinen, deren Jahresleistung alle Privathaushalte Münchens versorgen könnte.

Betrachtet man diese Entwicklungen aus dem Blickwinkel der Finanzwelt, lässt sich folgende Schlussfolgerung ziehen: Die Energiewende ist ein finanzieller Kraftakt. Es werden auch künftig enorme Mittel gefragt sein, um die Energiewende vollziehen zu können. Das Finanzierungsvolumen je Projekt dürfte dabei weiter massiv zunehmen.

Finanzierungsbedürfnisse von Großprojekten im Energiewesen

Was bedeutet der Trend zu dieser Art von Großprojekten für die Banken als potenzielle Finanzierer? Die Antwort darauf lautet zunächst einmal: besondere Risiken. Ein höheres Ausfallrisiko durch riesige Kreditvolumina, schwer kalkulierbare Umsetzungszeiträume durch den herausfordernden 'Baugrund Meer', Paradigmenwechsel bezüglich der staatlichen Förderung, Unwägbarkeiten rechtlicher Art durch internationale Beteiligte und Vertragswerke oder die strikte Ausrichtung auf den zukünftigen Cash-Flow sind nur einige Eckpunkte des Risikoprofils dieser Vorhaben. Die benötigten Finanzierungen haben deshalb auch hochindividuelle Ansprüche und Charakteristika. Üblicherweise wird im Finanzwesen an dieser Stelle mit strukturierten Finanzierungen gearbeitet. Diese Finanzierungskonstrukte können die komplexen Strukturen solcher Projekte abbilden und ermöglichen differenzierte Entscheidungen.

Im Umkehrschluss bedeutet die Verbindung von speziellen Risiken mit individuellen Ansprüchen vor allem eines: hohen Prüfungsaufwand für die Finanzinstitute. Banken müssen die dazu erforderlichen Daten nicht nur sammeln, sondern sich effektiv zunutze machen, sie beherrschen und verstehen. Dazu gehören, neben allgemeinen Angaben zum Projekt wie Finanzierungsplan und Gesamtkaufpreis, auch spezielle Informationen zum Special Purpose Vehicle (SPV), zur Windindex-Region oder zu Verträgen rund um die Windkraftanlage.

Viel Know-how und Personal sind nötig, um Projekte dieser Art erfolgreich umsetzen zu können. Entscheidend ist, dass Banken den Überblick über komplexe Finanzierungen behalten, um schnell auf Veränderungen von Variablen rund um die Projektfinanzierung reagieren zu können und Risiken so gering wie möglich zu halten. Warum sollten sich Banken also in Zeiten steigender Kosten und knapper Personaldecken an der Umsetzung von derart aufwändigen Energieprojekten beteiligen?

Das Potenzial strukturierter Finanzierungen erkennen und nutzen

Trotz anspruchsvoller Finanzierungsbedürfnisse lohnt sich das Engagement im Energiesektor für Banken, wenn die Projekte solide und effizient abgewickelt werden können. Speziell in den Zeiten der Niedrigzinsphase, in denen nur wenig Ertrag aus dem Einlagengeschäft generiert werden kann, sind neue Geschäftsfelder im Kreditbereich mehr als nur interessant. Ein weiterer Vorteil: An derart komplexe Bereiche trauen sich viele der Newcomer aus dem Fintech-Bereich nicht heran. Das bietet eine vielversprechende Chance für Banken, sich als verlässlicher Finanzierungspartner mit dem nötigen Know-how gewinnbringend zu positionieren.

Für die Bank kann das durchaus rentabel sein. Das gesteigerte Finanzierungsvolumen von Großprojekten im Bereich erneuerbarer Energien, wie die Finanzierung des riesigen Offshore-Windparks Triton Knoll vor der britischen Ostküste in Höhe von umgerechnet 1,94 Milliarden Euro, besitzt beispielsweise enormes Potenzial für Finanzhäuser. Es handelt sich dabei um eine syndizierte Finanzierung, an der 15 Banken, unter anderem drei deutsche Landesbanken, beteiligt sind.

Unter den Gesichtspunkten Personalabbau und Kostendruck, mit denen viele Institute derzeit zu kämpfen haben, sind digitale Prozesse jedoch eine zwingende Voraussetzung, um dieses Potenzial voll ausschöpfen zu können.

Komplexität durch Modularisierung beherrschen

Um die Digitalisierung der umfangreichen Prozesse bei der Energiefinanzierung zu erleichtern, ist es hilfreich, die Fachlichkeit in den Vordergrund zu stellen. Da diese Fachlichkeit im Bereich von strukturierten Finanzierungen äußerst vielschichtig ist, führen Standardlösungen nicht zum Ziel. Es ist wesentlich effektiver die Gesamtheit dieser Finanzierungen in kleine, überschaubare Bestandteile zu zerlegen: einzelne, fachlich gruppierte Lösungskomponenten, wie zum Beispiel die Module 'Analyse' oder 'Vermögenswerte'. In diesen Komponenten kann dann die Verwaltung von Vermögenswerten ('Vermögenswerte') bzw. Kunden- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen ('Analyse') erfolgen. Diese Module können, je nach Bedarf, einzeln eingesetzt werden oder über Schnittstellen interagieren.

So können auch herausfordernde Projekte mit Hilfe digitalisierter Komponenten hinsichtlich ihrer Risiken oder Wirtschaftlichkeit zielgerichtet analysiert und flexibel andere Szenarien bei Veränderungen durchgespielt werden. Je mehr Komponenten miteinander verbunden sind, desto größer ist der Mehrwert.

Die wesentlichen Vorteile auf einen Blick:

  • Besseres Verständnis von komplexen Sachverhalten
  • Mehr Flexibilität bei prozessualen oder fachlichen Veränderungen
  • Synergieeffekte durch die Informationsverknüpfung mehrerer Lösungskomponenten

Eine Banking-Plattform zur Vernetzung von Daten

Für Finanzdienstleister ist die Informationsverknüpfung heute essenziell, um mit den Veränderungen im Geschäftsumfeld Schritt zu halten. Maßgeschneiderte Finanzierungskonzepte und eine sichere Abwicklung von Projekten sind gefordert, wenn man vom Wandel innerhalb der Energiebranche profitieren möchte. Banken benötigen also eine zentrale Drehscheibe, auf der Daten vernetzt und alle notwendigen Informationen rund um die Bearbeitung strukturierter Finanzierungen kontextbezogen bereitgestellt werden. Optimalerweise verfügt das System über Schnittstellen, um auch externe Datenquellen nutzen zu können. Die Bildung eines kompletten IT-Ökosystems ist das Ziel.

BankingPlattform_strukturierte_Finanzierungen

Eine offene Banking-Plattform ist der dazu am besten geeignete technologische Ansatz. Daten aus bankinternen Bestandssystemen oder externen Channels, wie Wirtschaftsdatenbanken, können dort leichtgängig integriert und verwaltet werden. Alle relevanten Informationen werden aus dem der Situation entsprechenden Blickwinkel betrachtet, um sie so optimal verwerten zu können. Aufwändige Recherchen oder unnötige Doppelerfassungen durch den Bearbeiter werden vermieden. Die effektive Automatisierung von Prozessabläufen wird durch diese Art der Datenhaltung erst möglich.

Die wesentlichen Vorteile auf einen Blick:

  • Vorhandenen Daten werden automatisiert verknüpft
  • Relevante Informationen werden kontextbezogen zur Verfügung gestellt
  • Externe Datenquellen können eingebunden werden

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Fazit

Indem die riesigen Datenmengen, die im Rahmen von Projektfinanzierungen entstehen, beherrschbar gemacht und notwendige Prozesse digital abgewickelt werden können, entsteht eine nachhaltige Digitalisierung. Diese ist gerade bei komplexen Finanzierungsprozessen, wie sie nun vermehrt innerhalb der Energiebranche auftreten, enorm von Vorteil für Finanzhäuser und macht solche Vorhaben überhaupt erst effektiv realisierbar. Durch den Einsatz bankfachlicher Lösungskomponenten wird die Erstellung genau auf das Projekt zugeschnittener, agiler Finanzlösungen und deren automatisierte Abwicklung ermöglicht.

So stehen Finanzhäuser als Strukturierungs- und Beratungsspezialisten Energieriesen nicht nur als Kapitalgeber, sondern vor allem als verlässlicher Partner beratend zur Seite. Gleichzeitig können Banken das Potenzial solch anspruchsvoller Projekte im Kontext der Energiewende, von denen es zukünftig sicher noch viele weitere geben wird, gewinnbringend ausschöpfen.

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Bildquellen: Teaser: PPAMPicture - 858990242 - iStock; Infografiken: knowis AG

Geschrieben von Michael Rehfisch

Michael Rehfisch ist bei der knowis AG für den Bereich Professional Services verantwortlich. Zu seinen Hauptaufgaben zählt die Überführung bankfachlicher Anforderungen in Softwarelösungen. Mit seinem Team sorgt er für die erfolgreiche Realisierung unterschiedlichster Kundenprojekte. Bevor er 2016 als Solution Architect zu knowis kam war Michael Rehfisch über mehrere Jahre in einer international agierenden Großbank mit der Steuerung und Optimierung von Service- und Kreditprozessen betraut.

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